Wie geht es der deutschen Wirtschaft? – Teil 1
Die deutsche Wirtschaft kämpft mit einem Schwächeanfall. Handelskonflikte, Schuldenprobleme einzelner EU-Staaten und der schwelende Brexit tun ihr Übriges. Mit unserer Übersicht zur Lage der deutschen Wirtschaft bringen wir Licht ins Dunkel.
Leider muss deutlich festgehalten werden: Die Aussichten sind eher trübe. Die Tendenz der Konjunktur zeigt weltweit abwärts. Und auch die größte europäische Volkswirtschaft schwächelt. Bei aller Sorge um den Abwärtstrend des Exportlandes Deutschland in einer insgesamt kränkelnden Weltwirtschaft, die durch den von den USA angestoßenen Handelskonflikt zusätzlich verunsichert wird, sollten aber die positiven Aspekte nicht in den Hintergrund rücken. Obwohl Warenströme weltweit verstärkt behindert werden, präsentiert sich besonders der Wirtschaftsstandort Ostdeutschland herausragend.
Nach dem Mauerfall lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den östlichen Bundesländern bei einem Drittel des westdeutschen Niveaus, heute erreicht die ostdeutsche Wirtschaft im Vergleich knapp 75 Prozent. So ist zu vermelden, dass sich das Pro-Kopf-Einkommen seit der Wiedervereinigung mehr als verdoppelt hat und die Produktivität laut Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) um das Vierfache stieg. Auch wenn es überdurchschnittliche Erfolge bei Infrastrukturausstattung, Wohnqualität und Umweltschutz zu feiern gebe, sei gerade dort noch immer der Fachkräftemangel akut. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat betont, dass eine weiterhin erfolgreiche Industrialisierung im Osten der Republik nur in Zusammenarbeit und mit Hilfe der EU gelingen kann. Auch wenn das Thema Kooperation generell auch für die gesamtdeutsche Wirtschaft Gültigkeit hat, setzt sich der CDU-Politiker für den Erhalt der EU-Strukturfondsmittel für die neuen Bundesländer in der nächsten Förderperiode ab 2021 ein. So scheint in Ostdeutschland die Förderung unternehmerischer Investitionen, und ebenso der weitere Ausbau von Infrastruktur, auch heute noch notwendig, damit die Region in die Lage versetzt wird, zukunftsfähig zu bleiben.
Unter dem Strich waren die Zeiten für die gesamtdeutsche Wirtschaft schon deutlich besser. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat seine Wachstumsprognose in diesem Jahr erneut gesenkt - auf nur noch 0,6 Prozent, nach mehreren Jahren mit jeweils mehr als zwei Prozent Wirtschaftswachstum. Besonders Industrieunternehmen spüren laut DIHK-Präsident Eric Schweitzer die deutlich langsamere Gangart der Weltwirtschaft. Beim Auslandsgeschäft seien die Erwartungen demnach so niedrig wie zuletzt vor zehn Jahren. Generell verdichte sich eine pessimistische Stimmung in der deutschen Wirtschaft, besonders betroffen sei angesichts globaler Handelskonflikte, des Brexits und einer generell abgekühlten globalen Konjunktur die exportorientierte Industrie. Wegen der schlechter laufenden Geschäfte würden vielerorts Investitionspläne gesenkt, während immerhin binnenorientierte Wirtschaftszweige wie der Bau und der Handel weiter vergleichsweise solide Geschäfte verzeichneten.
Das hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Denn obwohl die Binnenkonjunktur auf der starken Konsumnachfrage der privaten Haushalte fußt - und die Konsumkonjunktur von der seit Jahren sinkenden Arbeitslosigkeit profitiert - sehen laut DIHK die Beschäftigungsabsichten der Unternehmen nicht sonderlich rosig aus. Die Situation spiegelt sich in den Personalplänen wider. Dennoch werde sich der Beschäftigungsaufbau fortsetzen, wenngleich in geringerem Umfang als in den vergangenen Jahren. Trotz der aktuell getrübten Geschäftserwartungen seien die Beschäftigungspläne weiterhin vergleichsweise expansiv.
Dass die deutsche Wirtschaft aber vor durchaus ernsten Herausforderungen steht, zeigt auch die jüngste Wachstumsprognose der EU-Kommission. In Europa findet sich neben Italien nur ein einziges Land, die Bundesrepublik, bei dem das Konjunkturplus im aktuellen Jahr unter die Ein-Prozent-Marke fällt. Im Vergleich mit anderen Mitgliedsstaaten wie Slowenien (3,1 Prozent), Irland (3,8 Prozent) oder Polen (4,2 Prozent) zeigt sich die Schwäche am Zuwachsplus, das Deutschland zugetraut wird.
Lesen Sie im zweiten Teil unserer Serie zum Wirtschaftsstandort Deutschland, wie ausländische Firmen auf die aktuelle Lage reagieren und erfahren, wie sich mittelständische Unternehmer auf eine schwächelnde Konjunktur vorbereiten können.